chevron_left
chevron_right

Ideenreifung in der Backstube

Ideenreifung in der Backstube
In einem ehemaligen Produktionsgebäude der Bäckerei Buchmann bei Zürich Binz befindet sich ein Co-Working Space.
Simon Gröflin

Bei dem Co-Working Space «Das Provisorium» handelt es sich um ein «Food & Kultur»-Kollektiv zur Förderung und Unterstützung von innovativen und nachhaltigen Projekten rund ums Essen. Am SGLWT-Event «Ein Einblick in die Welt der Food Start-ups» mit anschliessendem Rundgang stellten sich unter anderem auch das Schweizer Lebensmittel-Hanf-Start-up «AlpenPionier» und das Haco Innovation Lab vor.

Wenn man in Zürich Binz «DasProvisorium» sucht, muss man eigentlich nur die Strasse zur Bäckerei Buchmann überqueren und den Eingang hinter dem ehemaligen Produktionsgebäude nehmen, wo sich der Co-Working Space seit Anfang 2017 befindet.Gegründet wurde «Provisorium» Ende 2016 von Fred Schaerlig, Tobias Zihl­mann und Sven Friese. Die Idee war, innovative, engagierte und nachhaltig denkende Menschen aus den Bereichen Lebensmittel, Gastronomie, Kunst und Kultur unter einem Dach zu versammeln und ihnen eine Plattform für den gemeinschaftlichen Austausch, die Weiterentwicklung von eigenen Projekten und neuen Ideen zu bieten. Zwischenzeitlich ist die Fläche auf 1500 Quadratmeter gewachsen und etwa 40 Co-Worker arbeiten dort mit ihren Start-ups.

Alpenpionier AG

Auf der Suche nach einem Platz zum Austausch und zur Vernetzung in Zürich stiess das Lebensmittel-Hanf-Start-up Alpenpionier aus dem Bündnerland Anfang 2018 zum Co-Working Space dazu. Die Initianten waren zwei Lebensmitteltechnologen, ein Gärtner, ein Snowboarder und eine Köchin. Gegründet wurde das Unternehmen im September 2017. Die gemeinsame Vision: Lebensmittel-Hanf in der Schweiz zu rekultivieren und zurück auf den Teller zu bringen. Von den verschiedenen Pflanzenbestandteilen beschäftige man sich zuerst hauptsächlich mit dem Samen aus Lebensmittel-Hanf, der aus europaweit zugelassenen Sorten der Hanfpflanze, ähnlich einem Getreide, gewonnen wird.

Ideenreifung in der Backstube
Das Start-up Alpenpionier kultiviert mit Schweizer Bio-Bauern den Lebensmittel-Hanf und setzt dabei besonders auf Produkte aus dem vielfältigen Hanfsamen. (Bild: Simon Gröflin)

«Als wir unser Unternehmen gegründet haben, hatten wir nur ein sehr beschränktes Budget, so kam uns der Co-Working Space «DasProvisorium» entgegen und sponserte für die ersten Monate einen Arbeitsplatz», sagt der Lebensmitteltechnologe Carlo Weber, Co-Founder und Geschäftsführer von Alpenpionier. Mittlerweile hat man sich mit vier festen Plätzen in der ehemaligen Binzer Bäckerei einquartiert. Seither wuchs das Team auf 14 «AlpenPioniere» an, davon sieben operative Mitarbeitende.

Im Lebensmittelbereich liege das Potenzial primär im Samen, da dieser sehr öl- und proteinreich sei. Die Palette beinhaltet alle für den Menschen erforderlichen Amino- und Fettsäuren. Hanfsamen haben durch ihre Inhaltsstoffe ein ähnlich grosses Potenzial wie Soja derzeit bietet. Der Flächenertrag beim Hanf liege mit etwa anderthalb Tonnen pro Hektar noch im tieferen Ertragsbereich. Durch Sortentests und Erfahrungen haben einige Felder aber bereits bis zu zwei Tonnen pro Hektar generiert. Die Hanfpflanze ist zudem beim Anbau viel anspruchsloser als Soja.

«Wir sind beim Anbau schon auf einer Höhe von 1500 Metern angelangt. So ergibt sich mit dieser Pflanze eine interessante Kultur für die Bergbauern», sagt Weber. «Dort wird es meistens schwierig, weil es keine Ebenen mehr gibt.»

Dieses Jahr lag die Anbaufläche bei 55 Hek­taren, die von 36 Bauern zugeliefert wurden. Die Verarbeitung geschieht bisher mehrheitlich über Partner. Für das Pressen wurde zudem ein eigenes Presswerk angeschafft. Nun wollen sie auch die Hanfnuss selbst schälen. Dafür installiert Alpenpionier derzeit eine Anlage. Was die Produktpalette anbelangt, startete man 2018 mit einer breiten Auswahl an Lebensmittel-Hanf-Produkten. Bei der zweiten Produktegeneration ginge man nun in den Snack-Bereich über. Ein gros-ses Potenzial läge auch im Sport-Bereich. Lebensmittel für Sportler seien derzeit in Planung, bilanzieren die Jungunternehmer.

Insgesamt richte sich der Fokus im Moment noch auf einen Markt, den man zuerst neu schaffen müsse. Im Detailhandel ist Alpenpionier nebst dem Fachhandel aktuell schweizweit bei Coop City vertreten. Aus Nebenprodukten werden mittlerweile Hanfziegelsteine, bestehend aus einer Mischung aus Hanf und Kalk, als Dämmmaterial in Südtirol verarbeitet und durch die dortige Firma Schönthaler als Baumaterial verkauft.

Haco Innovation Lab

Das Team vom Haco Innovation Lab (kurz H!L) ist immer auf der Suche nach neuen Ideen und aufstrebenden Jungunternehmern im Bereich Food und Food Tech. Die Welt befinde sich zurzeit in einem starken Umbruch: Wachsende Weltbevölkerung, Klimawandel und knappe Ressourcen verlangen nach neuen Lebensmittellösungen und Technologien. Das beeinflusse, was wir essen, wie wir essen und wie wir produzieren. Gleichzeitig ändere sich auch das Umfeld, in welchem man produziere. Immer mehr Start-ups kämen auf den Markt, die innovativer und agiler seien und den Grossen den Markt abrennen. Diese Trendwende hat auch der Schweizer Lebensmittelhersteller Haco identifiziert. «Um auf den Umbruch und die neuen Herausforderun- gen schnell reagieren zu können, hat man sich entschieden, ein Innovations-Lab zu gründen», sagt Dr. Ivonne Blossfeld vom Haco Innovation Lab. Die Vision: neue Technologien und innovative Inhaltsstoffe zu identifizieren und zu validieren und daraus langfristig neue Geschäftsfelder für die Haco zu gestalten. Im Innovations-Lab ginge es vor allem um die Evaluation globaler Trends und die Umsetzung konkreter Projekte. Im Moment drehe sich vieles um Plant-Based-Produkte. «Da beobachten wir genau die Entwicklung des Marktes bezüglich neuer Technologien und Konzepte», so Blossfeld.

Ideenreifung in der Backstube
Das Haco Innovation Lab, kurz H!L, identifiziert und validiert innovative Technologien und zukunftsträchtige Geschäftsfelder für die Haco Group. (Bild: Simon Gröflin)

So werden aus den langfristigen Zukunftstrends Hypothesen entwickelt, die es zu validieren und zu testen gilt und aus denen dann Projekte initiiert würden. Dabei setze man sehr stark auf agile Arbeitsmethoden, wie zum Beispiel Design Sprints, Lean Start­up oder dem Design-Thinking-Ansatz. Des Weiteren initiiert das Haco Innovation Lab die Zusammenarbeit mit Start-ups. Technologie-Start-ups hätten oft mit dem Scale-up-Prozess zu kämpfen, bei welchem Haco das nötige Know-how zur Unterstützung mitbringe.

«DasProvisorium» überzeugt mit einem spannenden Konzept von Zusammenarbeit und Innovationsgeist, das mit Sicherheit noch viele überraschende Projekte hervorbringt.