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«Man kann auch mit wenigen Mitteln kreativ sein»

SATW-Vorstandsmitglied Prof. Peter Seitz äussert sich kritisch zur Innovationsfähigkeit der Schweizer Industrie. (Bild: zVg)
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Die Schweiz belegt regelmässig Spitzenplätze in den Innovationsrankings, doch es gibt auch Trends in die andere Richtung. Besonders davon betroffen ist auch die Lebensmittelindustrie. Prof. Peter Seitz vom Vorstand der SATW stand uns für ein Interview zur Verfügung.

Im Innovationsranking der Acatech, der deutschen Akademie der technischen Wissenschaften, belegte die Schweiz in den letzten zehn Jahren regelmässig den ersten Platz als innovativste Nation der Welt. Aber sind wir auch so wahnsinnig gut? So steht beispielsweise im Forschungs- und Innovationsbericht 2016 «Unser Land figuriert immer auf den vordersten Plätzen». Jedoch gibt es auch andere Stimmen wie des World Economic Forums 2018, nach dessen Global Competitiveness Report wir uns nur noch auf Platz 4 befinden.

Herr Seitz, wie kam es seinerzeit in Japan bei Hamamatsu Photonics überhaupt dazu, dass Sie als Schweizer ein Innovationslabor gründen durften? Die Japaner kapseln sich doch eher ab von der westlichen Ökonomie und haben eine völlig andere Arbeitshierarchie.

Ich habe damals tatsächlich den Senior Vice President kontaktiert und ihm, für japanische Verhältnisse sehr keck, Folgendes gesagt: «Mir ist aufgefallen, dass Sie zwar eine ausgezeichnete Firma mit hervorragenden Hightech-Produkten haben, aber radikal innovative Marktneuheiten habe ich noch selten zuerst bei Ihnen gesehen.» Ich sagte, mir komme das vor, als müssten japanische Unternehmen bei Neuheiten immer zuerst die Sicherheit haben, dass der Markt positiv reagiert, und deshalb lässt man lieber andere Firmen mit Marktneuheiten vorpreschen.


Wie hat er darauf reagiert?

Er entgegnete mir, dass dies mit einem der Kernwerte der japanischen Kultur zusammenhängt, dem Respekt vor anderen Menschen und speziell vor Vorgesetzten. Aus diesem Grund gilt es unbedingt zu vermeiden, dass jemand sein Gesicht verliert. Es ist darum für einen japanischen Mitarbeiter schwierig, eine wirklich gute Idee vorzubringen, denn dann würde ja sein Chef, der die Idee selber nicht hatte, sein Gesicht verlieren! Und wenn der Vorgesetzte ein radikal neues Produkt vorschlägt und entwickeln lässt, das dann auf wenig Markterfolg stösst, dann verliert er sein Gesicht ebenfalls. Also hält man sich mit innovativen Ideen lieber zurück. In einem solchen Umfeld ist es einfacher und sicherer, ganz neue Ideen auf Mitbewerber oder Jungunternehmen auszulagern.

Zurück zur Schweiz, wo liegt denn unser grösstes Innovationsdefizit?

Man könnte auch die Gegenfrage stellen: Welche Eigenschaften weisen Länder oder Regionen auf, die ähnlich innovativ wie das berühmte Silicon Valley sind? Nach den Untersuchungen des amerikanischen Wirtschaftsprofessors Richard Florida gehören die drei «T» dazu:  Technologie, Talente aus aller Welt und die Toleranz der Umgebung, dass sich diese Talente wohlfühlen und bleiben möchten. Mir scheint, dass die Schweiz in dieser Hinsicht ihre Sache lange Zeit sehr gut gemacht hat und diese drei «T» Teil der Schweizer Kultur waren. Vergessen wir nicht, dass viele typische Schweizer Firmen von zugewanderten Ausländern gegründet und aufgebaut wurden: Nestlé, Hoffmann-La Roche, Novartis respektive die damalige  Ciba-Geigy, Rolex, IWC, ABB, Knorr und sogar Wander, wo die Ovomaltine erfunden wurde.

Was hat denn die SATW dazu bewogen, zusammen mit der SGLWT ein Innovationsforum zu veranstalten?

Wir wollten wissen, wer mit neuen Produkten zunehmend mehr verdient. Es ist zu erwarten, dass mehr verdienen sollte, wer mehr Forschung und Entwicklung betreibt. Vor allem die Maschinen- und Elektronikindustrie investieren zunehmend mehr in die Forschung und erzielen trotzdem weniger Umsatz mit neuen Produkten. Das ist aber allgemein bekannt. Die Lebensmittelindustrie investiert je länger je weniger in Forschung und Entwicklung; jedoch scheint es ihr bezüglich Umsatzzuwachs mit neuen Produkten nach wie vor gut zu gehen. Das war eigentlich die ausschlaggebende Motivation, um auf Initiative der SGLWT ein gemeinsames Innovationsforum zu organisieren. Wir wollen Wege aufzeigen, wie man auch mit beschränkten Mitteln kreativ werden und Innovationen schaffen kann. Damit wollen wir dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelindustrie, aber auch der ganzen Schweizer Industrie zu erhalten.

Das ganze Interview lesen Sie ab dem 12. Juni in der Ausgabe 6 der Lebensmittel-Technologie.